Arnheim

 

Meine Tante Theresa hatte einen Kärtäuser Kater. Er hörte auf den Namen Arnheim   .

 

     Hoch erhobenen Hauptes stolzierte er durch die weitläufigen hellen Räume der stilvoll eingerichteten Stadtwohnung. Am liebsten lag Arnheim auf dem hübschen Biedermeier-Sofa, einem alten Erbstück, das Tante Theresa einige Jahre vorher umfassend restaurieren hatte lassen und das wir Kinder, wenn wir bei ihr zu Besuch waren, so gut wie nie benutzen durften.   

 

     Lange lebte Tante Theresa ganz allein in ihrer großen Wohnung. Nur hin und wieder besuchte sie eine Seniorengruppe. Später, als ich schon älter war, kam mir Tante Theresa immer reichlich depressiv vor. Dann, eines Tages, hatte sie von einem Kartäuser-Züchter in München gelesen, den sie ganz spontan besuchte und der zufälligerweise einen Katzenjungen aus dem letzten Wurf noch nicht vergeben hatte. Arnheim wurde ihr vom Züchter einige Tage später; nachdem die ganzen Formalitäten erledigt waren, ins Haus gebracht. Danach lebte Tante Theresa wieder richtig auf. Nicht nur, dass sie jetzt wieder genügend Gesprächsstoff hatte, nein, ihr ganzer Tagesablauf hatte sich von Grund auf geändert. Theresa stellte sich nunmehr ganz auf ihren neuen, vierbeinigen Untermieter ein. Er war ihre ganze Liebe, ihm galt ihr ganzes Denken und Fühlen. Und der vierbeinige Mitbewohner genoss es offensichtlich nicht nur sehr, von Tante Theresa so geliebt zu werden, nein, er stolzierte durch die Räume, als sei er der eigentliche Wohnungsbesitzer und als hätten die Menschen nur ihm allein zu dienen.

 

Als ich Tante Theresa nach längere Zeit wieder einmal besuchte, verschlug es mir schier den Atem: Sie saß, als ich kam, gerade beim Abendbrot. Und neben ihr, auf einem scheinbar eigens dafür geschreinerten Stühlchen, saß Kater Arnheim und aß aus einem Napf, der neben dem Teller Tante Theresas auf dem Esstisch stand, „Rinderherz an Haferflocken“. Und Tante Theresa redete den ganzen Abend nur noch von ihrem Kater Arnheim. Arnheim ist auch wirklich sehr goldig und drollig. Tante Theresas Depressionen sind jedenfalls völlig verflogen. Wozu doch ein Kartäuser-Kater fähig ist.

 

 

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